900 Meilen, die verfluchte Technik und noch ein Bär

Veröffentlicht am 22. Juli 2025 um 15:53

Den Nichts-Tun-Tag in Glasgow habe ich ja sehr genossen. Die Sonne hatte sich hinter Wolken versteckt und so lies es sich im Schatten der Bäume wunderbar aushalten.

Gegen Abend bin ich dann mit meinen Lieblingsmenschen gemeinsam in die Pizzeria gegangen. 
Für mich gab es diesmal nichts, aber ich hatte auch gar nicht so einen großen Hunger und gab mich damit zufrieden, unter dem Tisch zu schlummern. Außerdem war es hier drinnen angenehm kühl und so war ich gar nicht damit einverstanden, dass ich wieder mit raus musste, nachdem mein Lieblingsmensch alles aufgegessen hatte. Von mir aus, hätte sie alleine gehen können, den Weg zum Zelt hätte ich auch alleine gefunden.

Am nächsten Morgen sollte es dann wieder losgehen. 
Sobald mein Lieblingsmensch anfängt, ihre und meine Schlafstätte zusammenzurollen, weiß ich, dass das Faulenzen ein Ende hat.

Wie gut, dass ich solange liegen bleiben kann, bis wirklich alles im Rucksack verschwunden ist.

Und dann der Schreck: Eines der Ladegeräte, mit denen das Telefon unterwegs aufgeladen wird, funktionierte nicht mehr. 
Vielleicht hat es die Hitze nicht vertragen, obwohl es genau wie ich im Schatten gelegen hat.

Ob ein Ladegerät ausreichend ist für die folgenden Tage?

Mein Lieblingsmensch machte sich wohl ein paar Sorgen, doch erstmal mussten wir zurück zum Trail.

Der Shuttlefahrer kam erst spät und es wurde schon wieder sehr heiß.

Er kam nicht alleine, ein anderer Zweibeiner und ein Hund sassen bereits im Auto. Der Zweibeiner war ja ok, aber der Hund? Der musste nun wirklich nicht sein.

Gut, dass wir ganz hinten sitzen konnten und der andere Hund kam ganz nach vorne und der Zweibeiner dazwischen. 
Ich war trotzdem froh, als wir aussteigen konnten.

Es war mittlerweile so warm geworden, dass wir schwitzend und hechelnd nach einer Stunde das nächste Shelter erreichten.

Weiterlaufen bei der Hitze? Nein, wir blieben dort und verbrachten den Tag mit Nichtstun. Da hätten wir auch in Glasgow bleiben können.

Aber mich fragt ja keiner.

 

Die Nacht war schrecklich warm und ich bekam wieder ein nasses Handtuch auf mein Fell zum Abkühlen. 
An einen erholsamen Schlaf war nicht zu denken, denn zu der Wärme kamen jetzt laute Geräusche dazu, die auch mich die Ohren spitzen ließen.

Nach Schwarzbär hörte es sich nicht an, trotzdem sehr beunruhigend.

Sobald das erste Tageslicht durch das Zelt schien, war es wieder ruhig geworden.

Mein Lieblingsmensch hatte mittlerweile beschlossen, den nächsten Stop in Buena Vista einzulegen, um Telefon und Ladegerät neu aufzuladen.

Die Zweibeiner und ihre komischen Geräte. Meine Nase funktioniert immer und den Trail, die Zeltplätze und Shelter finde ich auch ohne Telefon.

Aber gegen eine erneute Pause hatte auch ich nichts einzuwenden.

 

800 Meilen sind geschafft!

Ein bisschen Geschichte:

Eine sehr traurige Geschichte von einem kleinen Jungen, der mit seinen Schulkameraden Feuerholz für den Ofen im Klassenzimmer sammeln sollte und sich dabei verlaufen hatte.

Die sofortige Suche nach ihm blieb erfolglos, da keiner auf die Idee kam, dass Ottie den Weg hoch zum Bluff Mountain gegangen ist.

Monate später fanden Jäger die Überreste von Ottie, der wahrscheinlich schon in der ersten Nacht erfror.

Nach sechzehn Kilometern gelangten wir an einem Parkplatz von dem wir nach Buena Vista fahren konnten.

Wir hatten wieder mal Glück und gleich der erste Fahrer nahm uns mit und brachte uns bis zum Zeltplatz in der Stadt.

Wir waren wieder mal die einzigen dort und hatten den großen überdachten Picknickbereich für uns.

Als erstes wurde das Telefon und Zubehör angeschlossen und dann richtete mein Lieblingsmensch unseren Schlafplatz her.

Dann kam der nächste Schreck: Das zweite Ladegerät wurde auch heiß und lud nicht mehr.

Also jetzt hatten wir wirklich ein Problem.

Ein neues Ladegerät kaufen.

Aber in Buena Vista gab es kein Geschäft dafür, dass gab es erst wieder ein paar Kilometer entfernt.

Am folgenden Morgen fragte mein Lieblingsmensch den Shuttlefahrer mit dem Hund, ob er uns fahren könnte.

 Ja er hatte Zeit und kam vorbei. Diesmal war nur der andere Zweibeiner dabei, der Hund ist zu Hause geblieben.

Wir fuhren zunächst zu Walmart, wo mein Lieblingsmensch sich neue Ladegeräte kaufte, während ich im Auto wartete und mit Keksen und Wasser versorgt wurde.

Dann ging die Fahrt weiter nach Waynesboro, da wo wir eigentlich hinwandern wollten. 
Ich glaube mein Lieblingsmensch hatte einfach keine Lust mehr und außerdem ist es immer noch so heiß.

Auf dem stadteigenen Zeltplatz ist es zu warm für mich, das Stanimal Hostel ist geschlossen und so haben wir jetzt ein schönes kühles Hotelzimmer.

Muss auch mal sein.

 

Am nächsten Morgen warten wir auf den Shuttle, der uns zum Trail zurück bringt.

Mein Lieblingsmensch hatte noch eine Telefonliste der Trailangels von letzten Mal, die uns Hikern den Shuttleservice angeboten.

Eine supernette Zweibeinerin holte uns ab und brachte uns bis Rockfish Gap, da wo der Sheandoahs Nationalpark beginnt.

Der Appalachian Trail schlängelt sich einhundertsechzig Kilometer durch diesen Park.

Wer im Park im Zelt oder Shelter übernachten möchte, braucht dazu eine Genehmigung, die man sich wohl auch über das Telefon geben lassen kann.

Vor zwei Jahren war es noch anders und man musste am Eingang des Nationalparks einen Zettel ausfüllen und den an den Rucksack hängen.Ganz einfach.

Jetzt ging es nur über das Telefon meines Lieblingsmenschen. Aber irgendwie funktionierte es nicht, und nach mehreren Versuchen, packte mein Lieblingsmensch ihr Telefon ein und wir marschierten ohne Genehmigung los.

Na hoffentlich geht das gut.

Unser erstes Ziel war der dreizehn Kilometer entfernte Calf Mountain Shelter. Da wir recht spät losgekommen sind, war ein halber Tag laufen auch gut und außerdem war es immer noch sehr warm.

Nachdem wir den ganzen Nachmittag und frühen Abend dort alleine verbracht hatten, kam doch noch ein weiterer Übernachtungshiker dazu. Eigentlich wollte er gleich weiter, aber es fing ganz heftig an, zu regnen und so blieb er also auch über Nacht dort.

Der nächste Tag war zum Glück nicht ganz so heiß und die Sonne versteckte sich ein wenig hinter den Wolken. So war der Pfotenlauf von dreiundzwanzig Kilometern recht gut zu schaffen.

Ohne Schwarzbär und Klapperschlange erreichten wir den Blackrock Hut Shelter, wo ich mich von dem langen Weg ausruhen konnte.

Wir waren diesmal auch nicht alleine, sondern in Gesellschaft von vier weiteren Hikern, die mich natürlich alle streicheln und kraulen wollten, was mir ganz besonders gut gefiel.

 

Und wieder laufen! Nimmt das denn gar kein Ende?

Musste das sein? Ja es musste! Von meinem Futter war nicht mehr viel übrig und selbst die feinen Leckerlies waren aufgefuttert.

Hatte ich mehr Hunger gehabt als sonst oder hat mein Lieblingsmensch für mich zu wenig besorgt?

Egal, ich brauchte Futter und so marschierten wir los Richtung Pinefield Hut Shelter. Auf dem Weg dorthin sollte es einen Campingplatz mit kleinem Laden geben.

Der Sheandoahs Nationalpark ist touristisch aufgeschlossen, an mehreren Wegpunkten gibt es Campingplätze und Ausflugslokale. Eine Straße, die Skyline Drive, schlängelt sich wie der Trail von Süden nach Norden hindurch.

Und so erreichten wir um die Mittagszeit, den etwas vom Trail abseits gelegenen Camp Store.

Mit Eis, Kaffee, einer Tüte Hundefutter und Keksen kam mein Lieblingsmensch fröhlich aus dem Store zurück. Es war wohl auch die einzige Tüte Hundefutter gewesen.

Jetzt waren die nächsten Tage gerettet, zumindest für mich.

Und weiter ging es die felsigen Klippen hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter.

Auch hier oben auf den warmen Steinen trafen wir keine Klapperschlange, die sich sonst ja gerne an solch sonnigen Plätzen aufhält.

Ankunft am Pinefield Hut Shelter nach zweiundzwanzig Kilometern. Endlich Zeit zum Dösen und Kekse futtern.

Der darauffolgende Tag war wieder sehr warm und ich war froh im Schatten der Bäume laufen zu können. Mit dem Regen hatten wir in letzter Zeit viel Glück gehabt. Oft regnete es gar nicht oder wir lagen schon gut geschützt im Zelt.

Aber so viel Glück kann man wohl nicht immer haben. So auch als wir auf dem Weg zum nächsten Shelter wieder einmal an einem Camp Store vorbei kommen sollten. 
Während ich ja nun immer noch Kekse vom letzten Store hatte, hatte mein Lieblingsmensch ihre Leckerlies schon alle aufgegessen und wollte für Nachschub sorgen.

Der Himmel war bereits sehr dunkel und ich konnte das Donnergrollen hören, was erst weit entfernt und dann immer näher kam.

Dann fing es an zu regnen. Erst ein bisschen und dann richtig viel. Der Camp Store noch nicht erreicht und auch sonst keine Möglichkeit zum unterstellen.

Was blieb uns anderes übrig, als uns an den Wegesrand zu setzen? Mein Lieblingsmensch breitete das große, rote Regencape über uns aus und so saßen wir da und warteten bis der Regen und das schlimme Gewitter vorbei war.

Trotz Regendach ist an uns nichts trocken geblieben, aber ohne wäre es bestimmt noch schlimmer gewesen.

Klitschnass und bei Nieselregen ging es dann wieder weiter den Pfad entlang, der inzwischen zu einer Wasserstraße geworden war.

Endlich erreichten wir den Camp Store, der glücklicherweise auch noch geöffnet hatte. Mein Lieblingsmensch stärkte sich dort mit Kaffee und Blaubeermuffins bevor es weiter zum Bearfence Hut Shelter ging.

Unser Fell war bis dahin immer noch nass, aber das würde über Nacht schon trocken werden. Zumindest bei mir.

Mein Lieblingsmensch zog sich am nächsten Morgen ihr nasses Fell wieder an. Irgendwann würde es trocken sein.

Mit nassen Ersatzfell liefen wir los Richtung Rock Spring Hut Shelter. 
Mein Lieblingsmensch wollte unbedingt im nächsten Ausflugslokal einen Blaubeer Milchshake trinken.

Auf den hatte sie sich wohl schon länger gefreut und nahm somit den Umweg dafür gerne in Kauf.

Ich mache mir nicht so viel aus Blaubeeren, ich lag dafür lieber im Schatten neben dem Picknicktisch und sah dem Treiben der vielen Zweibeiner zu.

Und wieder ein Bär!

Nach dem Milkshake ging es auf schmalen Pfaden dem Shelter entgegen. Während ich fröhlich vorne weg lief und nicht so sehr auf den Weg achten muss, hatte es mein Lieblingsmensch schon schwerer mit zwei Pfoten über die Steine zu steigen.

Und so sah die den Bären wohl auch erst recht spät, der uns auf gleichen Pfad entgegen kam.

Jetzt fragt bloß nicht, warum ich den nicht schon eher gesehen habe. Ich weiß es nicht. 


Auf jeden Fall war der Bär plötzlich da!

Mein Lieblingsmensch fing an zu singen, mit den Stöcken zu klappern und dann drehten wir uns um, und liefen ein Stück zurück.

Dann war der Bär plötzlich weg.

Gott sei Dank!

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir den Shelter.

Bilder vom Bären konnten auf Grund der riskanten Situation nicht gemacht werden. 

 

 

Dreiundzwanzig Kilometer müssen wir am folgenden Tag zurück legen. Der Weg ist anstrengend, obwohl es gar nicht so heiß ist. Dafür geht es viel bergauf und bergab, die Pfade so felsig, dass mein Lieblingsmensch aufpassen muss, nicht zu stolpern.

Aber am Ende schaffen wir den Weg und werden am Parkplatz eines Picknick Areals von Allison vom Open Arms Hostel abgeholt.

 

Happy Trails

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