Zeit zum Abschied nehmen

Auch unsere letzte Nacht im Zelt verbringen wir ohne dass ein Elch oder ein Bär uns stört.

Hier im Tal ist es viel wärmer als oben in den Bergen und so brauche ich für meinen Schlafplatz keine zusätzlichen Decken.

Eigentlich ist das Wetter viel zu schön, um unsere Wanderung Richtung Norden auf dem Appalachian Trail zu beenden und mein Lieblingsmensch wäre am liebsten weiter gelaufen.

Auch ich hätte nichts dagegen, zumal mir das Klettern über die großen Felsen besonders viel Spaß macht.

Aber Zweibeiner haben wohl für bestimmte Dinge immer nur begrenzte Zeit und müssen dann beenden, was sie gar nicht beenden möchten.

Ich  verstehe das nicht. Aber ich bin ja nur der Hund.

Wir warten am Visitor Center auf Olaf, der uns am Nachmittag abholen soll.

Ich verbringe die Wartezeit mit Futtern, Schlummern und dabei in der warmen Sonne liegen.

Der Weg von New Hampshire nach Connecticut ist recht weit und so übernimmt mein Lieblingsmensch die Fahrt zurück.

Irgendwann spät abends kommen wir an und ich bin froh, endlich aus dem wackeligen Gefährt auszusteigen zu können. Besonders bequem ist es für mich nicht gewesen.

Bei Olaf zu Hause 

Mein Schlafplatz 

Wir fahren nach New York

Ja ich fahre natürlich mit in diese große Stadt, obwohl ich den Trubel mit den vielen Zweibeinern und Autos gar nicht so mag.

Es ist alles sehr laut um uns herum, da ziehe ich doch die Wälder, Seen und Berge vor durch die wir in den vergangenen Wochen gelaufen sind.

1459 Meilen (2349 Kilometer) habe ich auf meinen Pfoten zurück gelegt.

Ich bin durch Georgia und Tennessee gelaufen, habe die Berge von North Carolina und Virginia durchquert, bin durch Massachusetts und Vermont gewandert und habe die White Mountains in New Hampshire erklommen.

Ich bin bei sommerlicher Hitze im Schatten der Wälder gelaufen, bin bei Regen, Wind und Kälte unterwegs gewesen und habe unzählige nächtliche Gewitterstürme im Zelt verbracht.

Ich habe aus Seen und Bächen getrunken, habe Käse und Erdnussbutter mit meinem Lieblingsmenschen geteilt und Wasser in meinem Rucksack steile Berghänge hinauf getragen.

Ich bin Schlangen, Rehen und Schildkröten begegnet, habe Waschbären angebellt und Elche gesehen. Und nicht zu vergessen die Schwarzbären, von denen ich einen sogar erfolgreich in die Flucht geschlagen habe.

Ich bin müde, aber zufrieden abends im Zelt eingeschlafen, um am nächsten Tag wieder Kraft für neue Abenteuer zu haben.

Ich habe jeden Tag neue Wege und Gerüche entdeckt, bin auf weichen Waldboden und steinigen Untergrund gelaufen, habe fremdartige Vögel singen und Kojoten heulen hören.

Und ich bin als treue Weggefährtin immer an der Seite meines Lieblingsmenschen geblieben und habe sie sicher über die unwegsamen Abschnitte geführt und ihr den Weg gezeigt.

Auch in Erinnerung werden mir die Begegnungen mit den Zweibeinern bleiben, die uns im Auto mitgenommen, mich mit Leckerlies versorgt und Streicheleinheiten gegeben haben.

Nicht zu vergessen, meine vierbeinigen Hundekumpels, denen ich in den Hostels und auf dem Trail begegnet bin.

Habe aber übrigens keinen getroffen, der so viele Meilen wie ich unterwegs gewesen ist und die weite Strecke über das Meer auf sich genommen hat, um diese wunderschöne Reise erleben zu können.

Die Schwimmweste, die mein Lieblingsmensch extra noch für mich besorgt hatte, brauchte ich zum Glück nicht. Mir hat ja schon die wackelige Überfahrt in dem Gummiboot gereicht.

Ja und nun geht es wieder zurück nach Hause. 

Zunächst mit dem Taxi von Salisbury in Connecticut nach Boston zum Flughafen wo ich schon wieder in diese Box muss, aber das kenne ich ja bereits.

Nach der Landung in Frankfurt werden mein Lieblingsmensch und ich von meinem anderen Lieblingsmenschen abgeholt und dann geht's Richtung Heimat.

Zuhause

Am Donnerstag habe ich Geburtstag gehabt und bin zwölf Jahre alt geworden.